Srebrenica: Ein Ort der Begegnung. Beim Silver Frame Film Festival haben wir junge Filmemacher*innen aus ganz Europa zusammengebracht. Gemeinsam haben wir Geschichten erzählt, Grenzen überwunden und die Kraft des Films für sozialen Wandel genutzt. Film als Brücke. In Srebrenica haben wir erlebt, wie Film Brücken zwischen Kulturen und Generationen bauen kann. Das Silver Frame Film Festival war ein Ort der Inspiration und des Austauschs.
Mitte Juli lud das Silver Frame Film Festival unsere künstlerische Leiterin Anna Ramskogler-Witt nach Srebrenica (Bosnien) zu seiner ersten Ausgabe ein. Wir hatten die Freude, den Film "Painting Dhaka" in einem Dorf in den Bergen Bosnien-Herzegowinas vor einem jungen und internationalen Publikum zu zeigen.
Warum müssen Festivalreisen immer so früh beginnen? Um vier Uhr dreißig verlässt meine Bahn den S-Bahnhof Charlottenburg und bringt mich zum BER. Über Wien fliege ich nach Belgrad, um von dort zum ersten Silver Frame Festival nach Srebrenica zu fahren. Die Flugzeit nutze ich zum Lesen. In den letzten Wochen und Monaten habe ich etwa 300 Filme gesichtet, Abwechslung tut jetzt gut. "Radikale Zärtlichkeit" von ªeyda Kurt fesselt mich sofort. Ihre Gedanken zu zwischenmenschlicher Interaktion, verschiedenen Lebensperspektiven und Erfahrungswelten sind berührend. Sie schreibt: "Verantwortung gilt für mein eigenes Handeln in meiner Beziehung, aber genauso für meine Reaktion auf Gegebenheiten, die ich nicht absichtlich initiiert habe. Es liegt in meiner Verantwortung, wie ich reagiere..." Durch ihr Buch wird mir wieder bewusst, wie privilegiert ich bin, in einer sicheren und liebevollen Umgebung aufgewachsen zu sein, mein Leben frei gestalten zu können und nun das Privileg zu haben, ein neues Festival aufzubauen.
Mario Husten, Mitglied der Jury des Silber Frame Festivals und Wegbegleiter des Good Media Networks, holt mich vom Flughafen in Belgrad ab. Er scheint hier eine zweite Heimat gefunden zu haben. Der ehemalige Journalist und Initiator alternativer Orte unterstützt derzeit den Dorcol Platz in Belgrad. Dieser fantastische Ort mitten in der serbischen Hauptstadt bietet Kunst, Musik und Film eine Plattform.
Bevor wir uns auf den Weg in die Berge machen, treffen wir uns mit Bekannten, die ich während BelDocs kennen lernen durfte zum Lunch. Mit Milan Vokeliæ und Katharina Stankovic, deren Film "The Tempest of Neptun" wir im Herbst in Berlin zeigen, diskutieren wir die rasante Veränderung der Medienlandschaft und das Erstarken rechter Bewegungen weltweit. Nach diesem intensiven Gespräch holen wir die serbische Filmemacherin Olja Pokarjac ab. Sie begleitet uns nach Srebrenica. Gemeinsam mit mir und drei anderen Professionals wird Olja die Climate Mobile Residency als Mentorin betreuen.
In Srebrenica erwartet uns drückende Hitze. Sie will auch nach einem heftigen Gewitter am Abend nicht weichen. Wir fahren durch Potoèari und passieren das Mahnmal und den Friedhof zum Gedenken an den Genozid, der mit dem Namen verbunden bleiben wird. Dann gelangen wir zum Bootcamp, wo jährlich Jugendliche aus ganz Europa gemeinnützige Projekte umsetzen. Dieses Camp ist das Zentrum des Silver Frame Festivals.
Ado Hasanoviæ, der künstlerische Leiter des Festivals, schafft es, junge Filmemacher*innen aus dem gesamten Balkan zusammenzubringen. Der Austausch zwischen ihnen, den internationalen Freiwilligen und lokalen Jugendlichen macht sichtbar, was wir immer betonen: Film und Kunst besitzen die Macht zu verbinden.
Nach einem deftigen Abendessen und langen Gesprächen falle ich schließlich erschöpft ins Bett. Am nächsten Morgen arbeite ich auf der Terrasse des Silver City Hotels, während Katzenbabys um mich herumtollen.
Um 10 Uhr beginnt das Mobile Residency Lab. Geleitet wird es von Almir Berkavoc und Dragan Stanimirovic. Sie bringen unseren Mentees in einem Crashkurs Filmtechniken und journalistischen Standards bei. Am Nachmittag arbeite ich mit meinem Mentee Dino Gluhovc an seiner Projektidee. Nebenbei erzählt er mir von seinem Engagement gegen Femizide. Dino inszeniert Theaterstücke und initiiert Fortbildungen für Polizist*innen, um sie für das Thema zu sensibilisieren. Ich bin beeindruckt von seinem Weitblick und Engagement.
Abends wird das Festival feierlich eröffnet. Ado Hasanoviæ ist es gelungen, Kurator*innen von Sundance, Cannes, Sarajevo und anderen renommierten Festivals zu gewinnen. Sie präsentieren jeweils einen Kurzfilm aus ihrem Programm. Die Filme stellen eine beeindruckende Mischung aus emotionalen und gesellschaftskritischen Beiträgen dar und bestechen durch ihre einzigartige Ästhetik.
Der zweite Programmpunkt besteht aus Kurzfilmen von Studierenden aus sechs unterschiedlichen Hochschulen des Balkans. Mich beeindruckten die Qualität und der Ideenreichtum der Filme.
Nach der Eröffnung diskutieren wir um ein Lagerfeuer herum über die Filme. Wir schmieden Zukunftspläne für verschiedene Projekte und unterstreichen bei "Bella Ciao" das Gemeinsame.
Mein letzter Tag in Srebrenica ist viel zu schnell herangerückt. Unsere Mentees drehen ihre Geschichten und wir stehen ihnen zur Seite. Dino führt uns in ein benachbartes Altenheim, das den Müttern von Srebrenica ein Zuhause bietet. Liebevoll spricht er mit ihnen darüber, wie sich die Natur um sie herum verändert hat und welche Auswirkungen sie begutachten können. Dinos Ziel ist es, mit seinem Kurzfilm eine Brücke zu schlagen – zwischen damals und heute, zwischen jung und alt.
Ich bin tief berührt vom filmischen Material und lade die Projekte umgehend nach Berlin ein.
Am Abend präsentieren wir den Film "Painting Dhaka" von Lukas Zeilinger. Das Publikum ist begeistert und aufgewühlt zugleich. Leider muss ich vor seinem Ende abreisen, denn die Fahrt nach Sarajevo ist lange und wieder erwartet mich ein früher Flug - dieses mal zurück nach Berlin.
Ich fahre mit einer deutscher Journalistin, die in Sarajevo in der Nähe des Flughafens lebt. Erneut erlebe ich überwältigende Offenheit und lerne das Land dank ihrer Erzählungen noch ein bisschen besser kennen.
Das Silver Frame Festival war eine inspirierende Erfahrung. Nun freue ich mich schon auf die nächste Ausgabe im kommenden Jahr sowie die Zusammenarbeit im Herbst bei der Dokumentale in Berlin. Ich kann nur jede*n ermutigen, sich das Silber Frame Festival fest in seinen Festival-Kalender vorzumerken und kommendes Jahr die Chance zu nutzen fantastische Kurzfilme zu erkunden spannende Filmschaffende aus dem Balkan kennen zu lernen.