Über drei Jahre hinweg stellen Jamila (9), Rachel (11) und Faseeha (12) der Rapcrew Sisterqueens gesellschaftliche Normen in- frage und kämpfen gegen genderspezifische Erwartungen. Trotz ihres jungen Alters treiben die drei Freundinnen Fragen der Selbstbestim- mung, Identität und Gleichberechtigung um. Sie diskutieren darüber, wie doof es ist, Mädchen als Mädchen zu beleidigen, wie sie Rassismus empfinden und wie man sich entschuldigt, wenn man jemanden verletzt hat.
Die Mädchen leben im Berliner Wedding, einem Bezirk, der von prekären Wohn-, Arbeits- und Lebensverhältnissen geprägt ist. Alle Drei ecken mit ihren Visionen für ein feministisches Leben an. Dabei sehen wir sie als Kinder, die zu Jugendlichen heranwachsen. Wir sehen, wie sie ihre Pubertät erleben, die von individuellen und kollektiven Erfolgen und Enttäuschungen geprägt ist.
In deinem Film porträtierst du drei ganz besondere Mädchen. Wie kam es dazu, dass du diesen Film machen wolltest?
Clara Stella Hüneke: Faseeha und Rachel habe ich über unsere Dramaturgin Rebecca Ajnwojner kennengelernt und ein Theaterstück, in dem sie mitwirkten. Ich war sofort beeindruckt. Sie haben mir von dem Mädchenzentrum erzählt, und nach einer längeren Kennlernphase habe ich dort erste Interviews mit ihnen gedreht. In Absprache mit den Eltern und den Pädagog*innen haben die Mädchen in einer Mädchenvollversammlung für den Filmdreh abgestimmt.
Was macht diese Mädchen für dich so besonders?
Die Drei haben mich durch ihre politischen Forderungen, die sie schon so jung auf so künstlerische Weise formulieren konnten, tiefgreifend berührt. Faseeha hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Sie beeindruckt mich mit klaren Visionen und wirft die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Privatem auf, eine zentrale feministische Frage. Rachel tastet mit unglaublich viel Witz und Ehrlichkeit die Möglichkeiten des Feminismus und ihre Rolle darin ab und hinterfragt sie kritisch. Jamila hat eine so überraschende Art und Weise, die Welt in Worte und Metaphern zu fassen, die mich nachhaltig berührt und für immer verändert hat. Sie kann Leichtigkeit in die schwierigsten Themen bringen und stellt dabei hochkomplexe Fragen. Oft habe ich mir gedacht: „Was würde Jamila dazu sagen?“
Die Mädchen sind noch nicht einmal Teenager und setzen sich bereits mit großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit auseinander. Woher kommt das?
Faseeha, Rachel und Jamila sind besonders kluge, witzige und mutige Persönlichkeiten, jede auf ihre eigene Weise. Dass sie sich schon so jung an große politische Fragen herantrauen und als Künstlerinnen positionieren, zeigt aber auch auf, wie wichtig Jugendarbeit wie die des interkulturellen Mädchenzentrums Mädea und des Rap-Projekts Sisterqueens ist. Hier lernen Mädchen Sisterhood und politische Teilhabe kennen und können sich künstlerisch ausprobieren. Im Film bekommt man einen sehr guten Eindruck, was möglich wird, wenn junge Menschen kostenlose Bildungsangebote wahrnehmen können, die zu den eigenen Lebensrealitäten passen. Viele dieser Jugendangebote werden bundesweit aktuell weggekürzt. Ich hoffe, der Film kann dem etwas entgegensetzen.
Hat sich dein Blick auf die im Film behandelten Themen nach Abschluss des Drehs verändert?
Vor dem Film hatte ich ein anderes Verständnis von Vorbildern. Ich ging davon aus, dass Vorbilder Menschen sind, die älter sind als man selbst. Jetzt bin ich überzeugt, dass sie auch jünger sein können.
Was kann man von den Mädchen lernen?
Selbstbewusstsein,Witz, Offenheit, Neugierde, politische Partizipation, Kreativität, die eigene Stimme zu finden, mutig, beharrlich und machtkritisch zu sein. Sisterhood, Zusammenhalt, Kunstverständnis und Bühnenpräsenz. Und auch: sein eigenes Vorbild zu sein, um mit einem Zitat aus dem Film zu enden.
Das Rap-Projekt SISTERQUEENS ein Projekt von Peira in Kooperation mit Haszcara, Alice Dee, Leila Ey und diversen Mädchenzentren.